Buchhaltung
Lektion

1.2   Das europäische Finanzsystem im Überblick

Inhalt als Audio-Datei anhören

1.2.1      Einführung und Überblick: Worum geht es in diesem Kapitel?

Das europäische Finanzsystem ist ein komplexes Netzwerk von Institutionen, Märkten und Akteuren, welches die finanzielle Intermediation in der Europäischen Union (EU) erleichtert.

1.2.2      Am Ende dieses Kapitels sollte man folgende Fragestellungen beantworten können:

  1. Welche Institution ist für die Geldpolitik in der Eurozone verantwortlich?
  2. Welche Rolle spielen die nationalen Zentralbanken in der EU?
  3. Welche Arten von Finanzmärkten existieren in der Europäischen Union?
  4. Welche Aufsichtsbehörden überwachen den Finanzsektor auf EU-Ebene?
  5. Wie fördert die EU die Integration der Finanzmärkte zwischen den Mitgliedsstaaten?
  6. Welche Rolle spielen Geschäftsbanken im europäischen Finanzsystem?
  7. Wie tragen Versicherungsunternehmen und Pensionsfonds zur Stabilität des Finanzsystems bei?
  8. Welche regulatorischen Richtlinien beeinflussen den Finanzsektor in der EU?
  9. Welche Bedeutung haben Investmentfonds für die Diversifikation von Anlagen in der EU?
  10. Welche Zahlungs- und Abwicklungssysteme werden im Euro-Raum verwendet, um Transaktionen zwischen Banken zu erleichtern?

1.2.3      Zentralbanken

Die Europäische Zentralbank (EZB) ist die wichtigste Zentralbank in der Eurozone. Sie ist für die Geldpolitik der Eurozone verantwortlich. Jedes Mitgliedsland hat auch seine eigene nationale Zentralbank.

1.2.4      Die Europäische Zentralbank (EZB) und ihre Aufgaben

Die Europäische Zentralbank (EZB) ist eine sehr wichtige Bank für die Länder, die den Euro benutzen. Sie wurde am 1. Juni 1998 gegründet und befindet sich in Frankfurt am Main, Deutschland. Die EZB ist vergleichbar mit den nationalen Zentralbanken in den einzelnen europäischen Ländern, aber sie kümmert sich um alle Länder, die den Euro haben. Die EZB arbeitet unabhängig, das heißt, sie lässt sich nicht von Politikern oder Regierungen beeinflussen. Das ist wichtig, damit sie ihre zwei Hauptaufgaben gut erfüllen kann: Wirtschaftliche Stabilität Die EZB sorgt dafür, dass die Wirtschaft in den Euro-Ländern stabil bleibt. Das bedeutet, sie hilft dabei, dass die Wirtschaft weder zu schnell wächst noch schrumpft. Preisstabilität Die EZB achtet darauf, dass die Preise für Waren und Dienstleistungen nicht zu schnell steigen (Inflation) oder fallen (Deflation). Das Ziel ist, die Preise stabil zu halten, damit die Wirtschaft gut funktioniert. Diese Aufgaben sind in den EU-Verträgen und im Statut des Europäischen Systems der Zentralbanken festgelegt. Indem die EZB diese Ziele verfolgt, hilft sie, dass die Wirtschaft in den Euro-Ländern gesund bleibt.

Warum ist Preisstabilität so wichtig?

Die Volkswirtschaftslehre kennt die Begriffe Inflation und Deflation. Inflation bezeichnet den anhaltenden Anstieg des allgemeinen Preisniveaus für Güter und Dienstleistungen in einer Volkswirtschaft über einen bestimmten Zeitraum hinweg. Dies führt dazu, dass die Kaufkraft der Währung abnimmt, was bedeutet, dass mit der gleichen Menge Geld weniger Güter und Dienstleistungen erworben werden können. Die Inflation wird durch verschiedene Indikatoren gemessen. Am häufigsten kommt der Verbraucherpreisindex vor.
Hohe Inflation kann es schwierig machen für Menschen, ihre Ausgaben zu planen, und kann besonders hart für diejenigen sein, die nicht so viel verdienen oder feste Einkommen haben. Deflation
 bezeichnet einen anhaltenden Rückgang des allgemeinen Preisniveaus für Güter und Dienstleistungen in einer Volkswirtschaft über einen bestimmten Zeitraum hinweg. Anders ausgedrückt bedeutet Deflation, dass die Kaufkraft der Währung zunimmt, da mit der gleichen Menge Geld mehr Güter und Dienstleistungen erworben werden können. Im Gegensatz zur Inflation, die von einem Anstieg der Preise begleitet wird, führt Deflation zu einer Abnahme der Preise.
Wenn die Preise fallen, könnten die Leute anfangen, ihre Käufe zu verzögern, in der Hoffnung, dass die Preise noch weiter fallen. Das kann dazu führen, dass Unternehmen weniger verkaufen, was wiederum dazu führen kann, dass sie weniger Leute einstellen oder sogar Mitarbeiter entlassen. Das kann die Wirtschaft schwächen. Zusammengefasst: Preisstabilität bedeutet, dass die Preise weder zu schnell steigen noch fallen. Das ist gut, weil es bedeutet, dass die Menschen und Unternehmen besser planen können. Wenn die Preise stabil sind, wissen die Menschen ungefähr, wie viel sie in Zukunft für Dinge ausgeben müssen, und Unternehmen können besser planen, wie viel sie produzieren und investieren sollten. Eine moderate Inflation von etwa 2-2,5% pro Jahr wird als gut angesehen, weil sie zeigt, dass die Wirtschaft gesund ist, ohne dass die Preise zu schnell steigen. Volkswirtschaftlich betrachtet, ist das Ideal eine Inflation von ca. 2-2,5% p.a. Eine Inflation, die außer Kontrolle gerät und zu hoch wird, führt zu Panik bei den Verbrauchern und einer Destabilisierung der Finanzsysteme. Was absolut vermieden werden soll, ist eine Deflation. Durch die Tendenz, dass das Geld immer “mehr wert” wird, wird Konsum verschoben. Dies führt nicht nur zu einer Destabilisierung der Finanzmärkte, sondern zudem zu einem Einbruch der Nachfrage und damit zu Problemen im Handels- und Industriesektor.

1.2.4.1        Festlegung der Geldpolitik

Die wichtigste Aufgabe der EZB ist die Festlegung und Umsetzung der Geldpolitik für die Eurozone. Dies umfasst die Festlegung des Leitzinses, um Preisstabilität zu gewährleisten. Die Geldpolitik ist eine der Hauptaufgaben der Europäischen Zentralbank (EZB). Hierbei geht es darum, Entscheidungen zu treffen und Maßnahmen zu ergreifen, die beeinflussen, wie viel Geld im Umlauf ist und wie teuer es ist, sich Geld zu leihen. Ein zentrales Instrument der Geldpolitik ist die Festlegung des Leitzinses. Der Leitzins ist der Zinssatz, zu dem sich Banken Geld von der Zentralbank leihen können. Wenn die EZB den Leitzins festlegt, hat das große Auswirkungen: Preisstabilität Hauptziel der EZB ist es, die Preise stabil zu halten. Das bedeutet, sie will verhindern, dass die Preise zu schnell steigen (Inflation) oder fallen (Deflation). Durch Anpassung des Leitzinses kann die EZB-Einfluss darauf nehmen, wie viel Geld im Umlauf ist und wie teuer es ist, sich Geld zu leihen. Wenn der Leitzins niedrig ist, wird es billiger, sich Geld zu leihen. Das kann dazu führen, dass Unternehmen und Verbraucher mehr Geld ausgeben und investieren, was die Wirtschaft ankurbeln kann. Wenn der Leitzins hoch ist, wird es teurer, sich Geld zu leihen. Das kann dazu führen, dass weniger Geld ausgegeben und investiert wird, was die Wirtschaft abkühlen und die Inflation senken kann. Kurz gesagt, die Festlegung des Leitzinses durch die EZB ist ein wichtiges Werkzeug, um die Wirtschaft zu steuern und die Preise stabil zu halten.

1.2.4.2        Geldversorgung und Währungsausgabe

Die EZB ist für die Ausgabe von Banknoten und die Festlegung der Geldpolitik verantwortlich. Sie sorgt für eine angemessene Geldversorgung im Euro-Währungsgebiet. Die Europäische Zentralbank (EZB) hat zwei wichtige Aufgaben im Zusammenhang mit Geld und Währung: Ausgabe von Banknoten: Die EZB ist dafür zuständig, Euro-Banknoten herauszugeben. Das bedeutet, sie entscheidet, wie viele neue Banknoten gedruckt und in Umlauf gebracht werden. Diese Banknoten sind das physische Geld, das wir im Alltag benutzen. Festlegung der Geldpolitik: Die EZB bestimmt auch die Geldpolitik für die Eurozone. Das umfasst Entscheidungen darüber, wie das Geldsystem funktionieren soll und wie die Wirtschaft beeinflusst werden kann. Ein wichtiger Teil der Geldpolitik ist, wie bereits erwähnt, die Festlegung des Leitzinses. Die EZB sorgt dafür, dass im Euro-Währungsgebiet immer genug Geld vorhanden ist. Das bedeutet, sie achtet darauf, dass weder zu viel noch zu wenig Geld im Umlauf ist. Zu viel Geld könnte zu hoher Inflation führen, während zu wenig Geld die Wirtschaft abbremsen könnte. Zusammengefasst ist die EZB verantwortlich dafür, dass genügend Euro-Banknoten verfügbar sind und dass die Geldpolitik so gesteuert wird, dass die Wirtschaft stabil bleibt und die Preise nicht zu stark schwanken.

1.2.4.3        Devisenreserven und Währungsausgabe

Die Europäische Zentralbank (EZB) hat auch die Aufgabe, Devisenreserven zu halten und zur Stabilität des internationalen Währungssystems beizutragen: Devisenreserven halten: Devisenreserven sind Geldmittel in Fremdwährungen, die die EZB besitzt. Diese Reserven können aus verschiedenen Währungen wie US-Dollar, Britischen Pfund oder Japanischen Yen bestehen. Die EZB hält diese Reserven aus mehreren Gründen. Einer davon ist, dass sie damit in internationalen Märkten eingreifen kann, um den Wert des Euro zu stabilisieren, falls das nötig sein sollte. Beitrag zur Stabilität des internationalen Währungssystems: Durch das Halten von Devisenreserven und andere Maßnahmen trägt die EZB zur Stabilität des globalen Währungssystems bei. Das ist wichtig, weil die Wirtschaften der Welt miteinander verbunden sind. Wenn es in einem großen Währungssystem Probleme gibt, kann das Auswirkungen auf andere Länder haben. Die EZB arbeitet also daran, solche Probleme zu vermeiden oder zu mildern. Zusammengefasst bedeutet das, dass die EZB nicht nur für den Euro verantwortlich ist, sondern auch eine Rolle im weltweiten Finanzsystem spielt. Sie tut dies, indem sie Devisenreserven hält und Maßnahmen ergreift, um die Stabilität des internationalen Währungssystems zu unterstützen.

1.2.4.4        Bankenaufsicht

Die Europäische Zentralbank (EZB) ist nicht nur für die Geldpolitik und die Ausgabe von Währung zuständig, sondern spielt auch eine wichtige Rolle in der Überwachung und Aufsicht der Banken. Diese Aufgabe erfüllt sie im Rahmen des Einheitlichen Aufsichtsmechanismus (Single Supervisory Mechanism, SSM). Hier ist eine einfache Erklärung dazu: Einheitlicher Aufsichtsmechanismus (SSM): Der SSM ist ein System, das geschaffen wurde, um die Banken in der Eurozone zu überwachen. Es besteht aus der EZB und den nationalen Bankenaufsichtsbehörden der EU-Länder, die den Euro verwenden. Zusammenarbeit mit nationalen Behörden: Die EZB arbeitet eng mit den nationalen Aufsichtsbehörden zusammen. Diese Zusammenarbeit ist wichtig, weil die Banken in verschiedenen Ländern unterschiedlichen nationalen Gesetzen und Regelungen unterliegen. Die EZB hilft dabei, einen einheitlichen Aufsichtsstandard für alle diese Banken zu gewährleisten. Ziel – Stabilität des Bankensektors:
 Das Hauptziel des SSM ist es, die Stabilität und Sicherheit des Bankensektors in der Eurozone zu gewährleisten. Das bedeutet, die EZB und die nationalen Behörden überwachen die Banken, um sicherzustellen, dass sie gesund sind, also zum Beispiel genug Kapital haben und nicht zu riskante Geschäfte machen. Dies ist wichtig, um Finanzkrisen zu verhindern und das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Banken zu stärken. Kurz gesagt, die Rolle der EZB in der Bankenaufsicht durch den SSM ist es, zusammen mit den nationalen Behörden darauf zu achten, dass die Banken in der Eurozone stabil und sicher sind.

1.2.4.5        Forschung und Statistik

Die Europäische Zentralbank (EZB) betreibt nicht nur Geldpolitik und Bankenaufsicht, sondern widmet sich auch der wirtschaftlichen Forschung und der Sammlung statistischer Daten. Diese Aktivitäten sind für ihre Arbeit sehr wichtig: Wirtschaftliche Forschung: Die EZB führt Forschungen in verschiedenen wirtschaftlichen Bereichen durch. Diese Forschungen helfen der EZB, ein tieferes Verständnis der Wirtschaft zu entwickeln. Sie betrachtet dabei verschiedene Faktoren wie Wirtschaftswachstum, Inflation, Arbeitsmarktbedingungen und viele andere Aspekte, die die Wirtschaft der Eurozone beeinflussen können. Sammlung statistischer Daten: Neben der Forschung sammelt die EZB auch eine große Menge an statistischen Daten. Diese Daten umfassen Informationen über die Wirtschaftsleistung der Euro-Länder, wie z.B. das Bruttoinlandsprodukt (BIP), Inflationsraten, Arbeitslosenzahlen und vieles mehr. Unterstützung geldpolitischer Entscheidungen: Sowohl die Forschung als auch die gesammelten Daten sind für die EZB von großer Bedeutung, um ihre geldpolitischen Entscheidungen zu treffen und anzupassen. Mit Hilfe dieser Informationen kann die EZB besser verstehen, wie sich die Wirtschaft entwickelt und welche Auswirkungen ihre geldpolitischen Maßnahmen haben könnten. Dies hilft der EZB, Entscheidungen zu treffen, die darauf abzielen, die Preisstabilität zu gewährleisten und die Wirtschaft der Eurozone zu unterstützen. Kurz gesagt, die Forschungs- und Statistikaktivitäten der EZB sind entscheidend, um fundierte geldpolitische Entscheidungen zu treffen, die zur Stabilität und Gesundheit der Wirtschaft der Eurozone beitragen.

1.2.5      Aufbau der Europäischen Zentralbank (EZB)

Zwei Gremien bestimmen die Politik der EZB und treffen die Entscheidungen: Rat der Europäischen Zentralbank: Das Hauptorgan der EZB ist der Rat, der aus den Präsidenten der nationalen Zentralbanken der Eurozone und dem Direktorium besteht. Der Präsident der EZB leitet den Rat, der gemeinsam für die Geldpolitik und die operationelle Führung des Euro-Währungsgebiets verantwortlich ist. Direktorium: Das Direktorium besteht aus dem Präsidenten, dem Vizepräsidenten und vier weiteren Mitgliedern. Es ist für die Umsetzung der Geldpolitik verantwortlich und trifft operative Entscheidungen.

1.2.6      Operative Instrumente der EZB

1.2.6.1        Offenmarktgeschäfte

Die Europäische Zentralbank (EZB) nutzt Offenmarktgeschäfte, um die Menge an Geld, die im Bankensystem zirkuliert, zu kontrollieren.   Offenmarktgeschäfte sind Transaktionen, die Zentralbanken auf dem Geldmarkt durchführen, um die Geldmenge in der Wirtschaft zu steuern und die Geldpolitik zu beeinflussen. Diese Geschäfte umfassen den Kauf oder Verkauf von Finanzinstrumenten, wie zum Beispiel Staatsanleihen, am offenen Markt. Diese Geschäfte beeinflussen, wie viel Geld in der Wirtschaft verfügbar ist und wie die Geldpolitik gestaltet wird. Es gibt zwei Hauptarten von Offenmarktgeschäften: 1) Ankauf von Finanzinstrumenten (Expansive Offenmarktgeschäfte)
 Die Zentralbank kauft Finanzinstrumente von Geschäftsbanken oder anderen Finanzinstitutionen. Durch den Kauf von Wertpapieren wird den Banken zusätzliches Geld zugeführt, was die Liquidität im Finanzsystem erhöht. Dies kann zu niedrigeren kurzfristigen Zinssätzen führen, was die Kreditvergabe anregen und die wirtschaftliche Aktivität stimulieren soll. Was passiert? Die Zentralbank kauft Staatsanleihen von Banken oder anderen Finanzinstitutionen. Warum passiert das? Durch den Kauf fließt mehr Geld in die Banken, was die Menge an verfügbarem Geld im Finanzsystem erhöht. Ergebnis: Dies kann dazu führen, dass die Zinsen für kurzfristige Kredite sinken, was wiederum die Kreditvergabe und die wirtschaftliche Aktivität anregt. 2) Verkauf von Finanzinstrumenten (Restriktive Offenmarktgeschäfte) Die Zentralbank verkauft Finanzinstrumente an Geschäftsbanken oder andere Marktteilnehmer. Durch den Verkauf von Wertpapieren zieht die Zentralbank Geld aus dem Finanzsystem ab, wodurch die Liquidität verringert wird. Dies kann zu höheren kurzfristigen Zinssätzen führen, um die Kreditvergabe zu drosseln und die Inflation zu kontrollieren. Was passiert? Die Zentralbank verkauft Staatsanleihen an Banken oder andere Marktteilnehmer. Warum passiert das? Durch den Verkauf wird Geld aus dem Finanzsystem abgezogen, was die verfügbare Geldmenge verringert. Ergebnis: Dies kann zu höheren Zinsen führen, was die Kreditvergabe einschränkt und hilft, die Inflation zu kontrollieren. Die Zentralbanken verwenden Offenmarktgeschäfte als ein wichtiges Instrument der Geldpolitik, um kurzfristige Zinssätze zu beeinflussen, die Liquidität im Finanzsystem zu steuern und ihre geldpolitischen Ziele zu erreichen, wie etwa Preisstabilität und maximale Beschäftigung. Durch diese Geschäfte können sie direkt auf die Bedingungen im Geldmarkt eingreifen und somit die Gesamtgeldmenge in der Wirtschaft beeinflussen.

Beispiel:

Angenommen, die Zentralbank möchte die Geldmenge erhöhen, um die wirtschaftliche Aktivität anzukurbeln. In diesem Fall würde sie eine offene Marktkaufoperation durchführen. Die Zentralbank gibt bekannt, dass sie Staatsanleihen im Wert von 1 Milliarde Euro kaufen möchte. Ankündigung: Die Zentralbank gibt öffentlich bekannt, dass sie Staatsanleihen im Wert von 1 Milliarde Euro kaufen wird. Angebote der Geschäftsbanken:
 Geschäftsbanken, die Interesse haben, ihre Staatsanleihen zu verkaufen, geben ihre Angebote ab. Sie bieten an, ihre Anleihen an die Zentralbank zu verkaufen. Auswahl der Angebote: Die Zentralbank wählt die Angebote aus, die den Bedingungen ihrer Geldpolitik entsprechen. Dies könnte bedeuten, dass sie die Angebote mit dem niedrigsten Zinssatz akzeptiert. Kauf der Staatsanleihen: Die Zentralbank kauft die ausgewählten Staatsanleihen von den Geschäftsbanken. Der Kaufpreis wird den Bankreserven der Geschäftsbanken hinzugefügt. Erhöhung der Geldmenge: Da die Geschäftsbanken nun mehr Geldreserven haben, können sie ihre Kreditvergabe erhöhen. Dies führt zu einer Erhöhung der Geldmenge in der Wirtschaft. Einfluss auf Zinssätze: Durch den Kauf von Staatsanleihen steigt deren Preis, was zu einem Rückgang der Rendite führt. Dies wiederum kann die kurzfristigen Zinssätze senken, da die Rendite und die Zinssätze invers korreliert sind.   Offenmarktgeschäfte können auch umgekehrt durchgeführt werden, wenn die Zentralbank die Geldmenge reduzieren möchte. In diesem Fall würde sie Staatsanleihen verkaufen und damit Geld aus der Wirtschaft entziehen. Zusammenfassung: Offenmarktgeschäfte sind ein wichtiges Werkzeug für die EZB, um die Geldmenge und die Zinssätze zu steuern. Durch den Kauf oder Verkauf von Staatsanleihen kann die EZB direkt Einfluss auf die Wirtschaft nehmen, indem sie entweder mehr Geld zur Verfügung stellt oder Geld aus dem Wirtschaftskreislauf zieht.

1.2.6.2        Refinanzierungsgeschäfte:

Die Europäische Zentralbank (EZB) führt Refinanzierungsgeschäfte durch, um den Banken kurzfristig Geld zu leihen. Diese Geschäfte sind wichtig, um den Geldfluss und die Zinssätze in der Wirtschaft zu steuern. Refinanzierungsgeschäfte sind Darlehen, die die EZB den Geschäftsbanken gibt. Diese Darlehen helfen den Banken, genug Geld für ihren täglichen Betrieb zu haben und ihre kurzfristigen Schulden zu bezahlen. Diese Geschäfte sind ein wesentlicher Bestandteil der Geldpolitik und dienen dazu, den Geldmarkt zu beeinflussen, die Liquidität im Bankensystem zu steuern und die Ziele der Zentralbank in Bezug auf Preisstabilität und wirtschaftliches Wachstum zu unterstützen. Es gibt zwei Hauptarten von Refinanzierungsgeschäften: 1)Tenderverfahren (Ausschreibungsverfahren):

  • Bei diesem Verfahren gibt die Zentralbank zunächst bekannt, wie viel Geld sie verleihen will.
  • Die Geschäftsbanken bieten an, zu welchem Zinssatz sie diese Mittel aufnehmen möchten.
  • Die EZB akzeptiert – die niedrigsten Zinsangebote, bis die gesamte Geldmenge, die sie verleihen möchte, erreicht ist.

2) Festzinssatzgeschäfte (Fester Zinssatz):

  • Die EZB legt einen festen Zinssatz fest, zu dem die Banken Geld leihen können.
  • Was passiert dann? Die Banken entscheiden, wie viel sie zu diesem festen Zinssatz leihen möchten.

Die Zentralbanken verwenden Refinanzierungsgeschäfte, um kurzfristige Zinssätze im Geldmarkt zu beeinflussen, die Liquidität im Bankensystem zu steuern und sicherzustellen, dass die Geschäftsbanken über ausreichend Mittel verfügen, um ihren täglichen Betrieb aufrechtzuerhalten. Durch die Festlegung der Zinssätze und Mengen bei Refinanzierungsgeschäften können die Zentralbanken ihre geldpolitischen Ziele erreichen, insbesondere wenn es darum geht, die Inflation zu kontrollieren und die Wirtschaft zu stabilisieren.

Hier ist ein vereinfachtes Beispiel für das Hauptrefinanzierungsgeschäft der EZB:

Ankündigung durch die EZB: Die EZB gibt bekannt, wie viel Geld sie über das Hauptrefinanzierungsgeschäft zur Verfügung stellen wird und zu welchem Zinssatz. Angebote der Geschäftsbanken:
 Geschäftsbanken, die Liquidität benötigen, geben ihre Angebote ab, wie viel Geld sie von der EZB zu welchem Zinssatz aufnehmen möchten. Auswahl der Angebote: Die EZB wählt die Angebote aus, beginnend mit dem niedrigsten Zinssatz, bis die angekündigte Geldmenge erreicht ist. Festlegung des Zinssatzes: Der Zinssatz wird auf Basis des Angebots mit dem höchsten akzeptierten Zinssatz festgelegt. Bekanntgabe der Ergebnisse: Die EZB gibt bekannt, welche Banken erfolgreich Geld im Rahmen des Hauptrefinanzierungsgeschäfts aufgenommen haben und zu welchem Zinssatz. Geldübertragung: Die ausgewählten Geschäftsbanken erhalten das gewünschte Geld von der EZB und müssen dafür den festgelegten Zinssatz zahlen. Durch diese Refinanzierungsgeschäfte kann die EZB die Menge an Geld, die im Umlauf ist, und die Zinssätze beeinflussen. Wenn die EZB möchte, dass mehr Geld im Umlauf ist und die Zinssätze niedriger sind, macht sie es den Banken leichter, Geld zu leihen. Wenn sie weniger Geld im Umlauf haben möchte und die Zinssätze erhöhen will, macht sie es schwieriger für die Banken, Geld zu leihen. Dieses Verfahren hilft der EZB, ihre geldpolitischen Ziele zu erreichen.

1.2.6.3        Einlagensatz:

Der Einlagensatz der Europäischen Zentralbank (EZB) ist der Zinssatz, den Geschäftsbanken erhalten, wenn sie Gelder bei der Zentralbank deponieren. Diese Einlagefazilität dient als Instrument der Geldpolitik und hat Auswirkungen auf das Verhalten der Geschäftsbanken sowie auf die Geldmarktzinsen. Der Einlagensatz beeinflusst damit, wie Banken mit ihrem Geld umgehen und ist ein Werkzeug der EZB, um die Wirtschaft zu beeinflussen. Anreiz zur Einlage von Geldern: Wenn der Einlagensatz niedrig ist, erhalten Geschäftsbanken nur geringe Zinsen, wenn sie Gelder bei der EZB deponieren.
Dies schafft einen Anreiz für die Banken, ihre überschüssige Liquidität anders zu nutzen, beispielsweise durch Kreditvergabe an Unternehmen oder Verbraucher. Einfluss auf den Geldmarkt: Der Einlagensatz beeinflusst auch die kurzfristigen Zinssätze auf dem Geldmarkt. Wenn der Einlagensatz niedrig ist, tendieren auch die kurzfristigen Zinssätze dazu, niedrig zu sein. Lenkung der Liquidität: Die EZB kann den Einlagensatz anpassen, um die Liquidität im Bankensystem zu steuern. Bei niedrigen Einlagensätzen wird den Banken ermöglicht, mehr Geld zu leihen, was die Kreditvergabe fördern kann. Instrument zur Beeinflussung der Geldpolitik: Die EZB kann den Einlagensatz als geldpolitisches Instrument verwenden, um die Inflation zu steuern und die Wirtschaft zu beeinflussen. Eine Senkung des Einlagensatzes kann die Kreditvergabe ankurbeln, während eine Erhöhung das Gegenteil bewirken kann. Einfluss auf den Euro-Wechselkurs: Änderungen am Einlagensatz können auch den Euro-Wechselkurs beeinflussen, da höhere Zinsen tendenziell den Wert der Währung stützen. Es ist wichtig zu beachten, dass der Einlagensatz nur eine von mehreren geldpolitischen Maßnahmen der EZB ist. Sie kann auch den Hauptrefinanzierungssatz und den Spitzenrefinanzierungssatz anpassen, um ihre geldpolitischen Ziele zu erreichen, insbesondere in Bezug auf Preisstabilität und wirtschaftliche Entwicklung in der Eurozone.

Beispiel:

Angenommen, die EZB setzt den Einlagensatz auf -0,5% fest. Das bedeutet, dass Geschäftsbanken, die Geld bei der EZB deponieren, dafür bezahlen müssen. Einlagensatzfestlegung: Die EZB gibt bekannt, dass der Einlagensatz bei -0,5% liegt. Einlagen von Geschäftsbanken: Geschäftsbanken, die überschüssige Mittel haben, könnten diese bei der EZB deponieren. Angenommen, eine Bank deponiert 10 Millionen Euro. Zinskosten für die Bank: Aufgrund des negativen Einlagensatzes von -0,5% würde die Bank für ihre Einlage 10 Millionen Euro einen Zins von 0,5% zahlen. Das entspricht in diesem Beispiel einer Gebühr von 50.000 Euro (10 Millionen Euro * 0,5%). Anreiz zur Kreditvergabe: Aufgrund der Kosten für das Halten von Einlagen bei der EZB könnte die Bank stattdessen versuchen, das Geld durch Kreditvergabe zu nutzen, um Zinsen zu verdienen und die negativen Kosten zu vermeiden. Auswirkungen auf die Geldmärkte: Der negative Einlagensatz soll Anreize für Banken schaffen, Geld in die Wirtschaft zu lenken, indem sie es als Kredite vergeben. Dies kann dazu beitragen, die wirtschaftliche Aktivität anzukurbeln. E s ist wichtig zu beachten, dass der Einlagensatz ein Instrument der Geldpolitik ist und von der EZB angepasst werden kann, um ihre geldpolitischen Ziele zu erreichen, insbesondere in Bezug auf Preisstabilität und wirtschaftliche Entwicklung in der Eurozone.

1.2.7      Das europäische Steuersystem

Es gibt einen europäischen Haushalt. Dieser finanziert sich aus den Steuergeldern der Mitgliedsstaaten, die eingezahlt werden. Langfristig bestehen Planungen, eine europäische und einheitliche Steuerpolitik zu installieren. Das europäische Steuersystem ist eine Mischung aus tatsächlich europäischen Steuerregelungen und den Steuergesetzen der einzelnen Mitgliedsstaaten. Das europäische Steuersystem ist ein komplexes Gefüge, das sowohl Elemente auf EU-Ebene als auch nationale Steuergesetze der Mitgliedsstaaten umfasst. Hier ist eine vereinfachte Erklärung: Europäischer Haushalt: Die Europäische Union (EU) hat ihren eigenen Haushalt, der verschiedene EU-weite Aktivitäten und Programme finanziert. Dieser Haushalt wird hauptsächlich durch Beiträge der Mitgliedsstaaten finanziert. Diese Beiträge kommen aus den nationalen Steuereinnahmen der einzelnen Länder. Steuergelder der Mitgliedsstaaten: Jeder Mitgliedsstaat der EU zahlt einen Teil seiner Steuereinnahmen in den gemeinsamen EU-Haushalt ein. Die Höhe dieser Beiträge variiert je nach Wirtschaftskraft und anderen Faktoren des jeweiligen Landes. Europäische Steuerpolitik: Aktuell gibt es Überlegungen und Planungen, eine einheitlichere Steuerpolitik auf EU-Ebene zu entwickeln. Das Ziel ist es, bestimmte Steuerregelungen zu harmonisieren, um beispielsweise Steuerflucht und unfairen Steuerwettbewerb zwischen den Mitgliedsstaaten zu verhindern. Mischung aus europäischen und nationalen Steuerregelungen: Das europäische Steuersystem ist derzeit eine Kombination aus EU-weiten Regelungen und den individuellen Steuergesetzen der Mitgliedsstaaten. Während einige Steuerarten und -regelungen auf EU-Ebene festgelegt sind, bleiben viele Aspekte der Besteuerung in der Zuständigkeit der einzelnen Länder. Zukünftige Entwicklungen: Die EU arbeitet kontinuierlich daran, ihre Steuerpolitik weiterzuentwickeln. Dies beinhaltet Bemühungen, die Steuersysteme der Mitgliedsstaaten besser aufeinander abzustimmen und gemeinsame Herausforderungen wie Steuervermeidung und digitale Besteuerung anzugehen. Zusammengefasst ist das europäische Steuersystem ein dynamisches Gebilde, das sowohl von den nationalen Steuersystemen der Mitgliedsstaaten als auch von den übergeordneten EU-Regelungen geprägt ist. Die Entwicklung hin zu einer stärker integrierten europäischen Steuerpolitik ist ein fortlaufender Prozess.

1.2.8      Der Europäische Fiskalpakt

1.1.8.1        Ziele des Fiskalpaktes

Der Europäische Fiskalpakt ist ein Abkommen zwischen den EU-Mitgliedsstaaten, das nach der Wirtschaftskrise 2008/2009 entstanden ist. Als Folgerung aus den schweren wirtschaftlichen Problemen, die einige EU-Mitgliedsstaaten zu dieser Zeit hatten, einigten sich die EU-Staaten auf den SKS-Vertrag (Vertrag über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der Wirtschafts- und Währungsunion). Ziel des Paktes ist es, die Haushaltspolitik der Mitgliedsstaaten zu stabilisieren und zu koordinieren, um ähnliche Krisen in der Zukunft zu verhindern. Der SKS-Vertrag (Fiskalpakt) umfasst folgende Punkte: Ausgeglichener Haushalt: Die Mitgliedsstaaten sollen dafür sorgen, dass ihre Haushalte ausgeglichen sind oder sogar Überschüsse erzielen. Das bedeutet, sie sollten nicht mehr Geld ausgeben, als sie einnehmen. Grenzen für den Haushaltssaldo: Es gibt bestimmte Regeln, wie hoch das Defizit (wenn Ausgaben höher als Einnahmen sind) im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) sein darf. Normalerweise sollte das Defizit nicht höher als 0,5 % des BIP sein. Wenn ein Land jedoch sehr wenig Schulden hat (unter 60 % des BIP), darf das Defizit bis zu 1,0 % des BIP betragen. Mittelfristige Haushaltsziele: Die Staaten sollen sich an ihre mittelfristigen Haushaltsziele halten. Die Europäische Kommission schlägt den Zeitrahmen für die Erreichung dieser Ziele vor. Es gibt Ausnahmen für besondere Umstände wie schwere Wirtschaftskrisen. Zusammengefasst ist der Europäische Fiskalpakt ein Rahmenwerk, das darauf abzielt, die Haushaltspolitik der EU-Mitgliedsstaaten zu stabilisieren und zu koordinieren, um die wirtschaftliche Stabilität in der Eurozone zu fördern. Dies hat sowohl direkte Auswirkungen auf die Staaten als auch indirekte Auswirkungen auf Unternehmen und deren Finanzplanung.

1.2.8.2        Auswirkungen auf Unternehmen

Obwohl der Fiskalpakt hauptsächlich die Haushaltspolitik der Staaten betrifft, hat er auch indirekte Auswirkungen auf Unternehmen: Wirtschaftliche Stabilität: Der Fiskalpakt zielt darauf ab, die wirtschaftliche Stabilität in der Eurozone zu fördern. Ein stabileres wirtschaftliches Umfeld kann sich positiv auf die Geschäfte auswirken, da es zuverlässigere Rahmenbedingungen bietet. Fiskalpolitik: Änderungen in der Fiskalpolitik können Auswirkungen auf Steuern und staatliche Ausgaben haben. Unternehmen müssen diese Änderungen in ihre Finanzplanung einbeziehen und ihre Buchhaltung entsprechend anpassen. Wirtschaftliche Koordinierung: Der Fiskalpakt fördert eine stärkere wirtschaftliche Koordinierung zwischen den Mitgliedstaaten. Diese Koordinierung kann zu gemeinsamen Maßnahmen in Bereichen wie Investitionen und Infrastruktur führen, was sich auf bestimmte Branchen auswirken kann. Stabilitätskriterien: Da der Fiskalpakt auf die Stabilität der öffentlichen Finanzen abzielt, könnte er indirekt dazu beitragen, wirtschaftliche Unsicherheiten zu reduzieren. Dies könnte wiederum Einfluss auf die finanzielle Planung von Unternehmen haben. EU und nationale Steuern: Die EU selbst erhebt keine Steuern und setzt keine Steuersätze fest. Dies ist Sache der nationalen Regierungen. Die EU überwacht jedoch die nationalen Steuervorschriften, um sicherzustellen, dass der Binnenmarkt funktioniert und keine ungerechtfertigten Vorteile oder Diskriminierungen entstehen. In einigen Bereichen, insbesondere in Bezug auf die Unternehmens- und Verbraucherpolitik, beaufsichtigt die EU jedoch die nationalen Steuervorschriften, um

  • den freien Verkehr von Waren, Dienstleistungen und Kapital im Binnenmarkt der EU zu gewährleisten,
  • sicherzustellen, dass Unternehmen eines Landes keinen ungerechtfertigten Vorteil gegenüber ihren Wettbewerbern in anderen Ländern haben,
  • auszuschließen, dass Steuern die Verbraucher, Arbeitnehmer und Unternehmen anderer EU-Länder diskriminieren.

1.2.8.3        Zusammenfassung

Zusammengefasst ist der Europäische Fiskalpakt ein Rahmenwerk, das darauf abzielt, die Haushaltspolitik der EU-Mitgliedsstaaten zu stabilisieren und zu koordinieren, um die wirtschaftliche Stabilität in der Eurozone zu fördern. Dies hat sowohl direkte Auswirkungen auf die Staaten als auch indirekte Auswirkungen auf Unternehmen und deren Finanzplanung. Insgesamt ist es wichtig für Unternehmen, sich über makroökonomische Entwicklungen und staatliche Maßnahmen auf dem Laufenden zu halten, da diese die Geschäftsumgebung beeinflussen können. Die Buchhaltung muss flexibel genug sein, um sich an veränderte Rahmenbedingungen anzupassen, insbesondere wenn sich steuerliche Vorschriften ändern oder staatliche Anreize eingeführt werden.

1.2.9      Was ist das europäische Fiskalsystem?

Das europäische Fiskalsystem ist ein komplexes Netzwerk aus Steuerregelungen und -politiken, die sowohl auf nationaler Ebene in den einzelnen EU-Mitgliedsstaaten als auch auf EU-Ebene gestaltet und umgesetzt werden. Wie ist es aufgebaut und welche Institutionen wirken mit? Die Mitwirkenden am Fiskalsystem sind die Finanzministerien der einzelnen Mitgliedsländer. Zwischen den Finanzministern werden die bestehenden Regelungen besprochen und zukünftige Regelungen entwickelt. Zwischen den Finanzämtern der einzelnen Mitgliedsstaaten werden die Steuern verrechnet, die zwischen den Mitgliedsstaaten ausgetauscht werden. Hierunter fällt unter anderem die Umsatzsteuer. Aktuell dienen diese Erhebungen auf europäischer Ebene vor allem statistischen Zwecken und dafür, die Beiträge der einzelnen Mitgliedsländer zu berechnen. Im Folgenden werden die Grundsätze und die weitergehenden Bestandteile des Fiskalsystems vorgestellt.

1.2.9.1        EU-Richtlinien und Harmonisierung

Die Europäische Union (EU) legt Richtlinien fest, die von den Mitgliedsländern in Steuerangelegenheiten befolgt werden müssen. Diese Richtlinien zielen darauf ab, eine gewisse Einheitlichkeit in den Steuersystemen zu gewährleisten, auch wenn die Mitgliedsländer Spielraum für individuelle Anpassungen haben. Zum Beispiel können Mitgliedsländer die Höhe der Mehrwertsteuer selbst festlegen, jedoch gibt es Mindeststandards, um sicherzustellen, dass diese Steuer auf ähnliche Weise angewendet wird. Ein weiteres Beispiel betrifft die Besteuerung von Zinsen und Dividenden. Hier sorgt die EU für Regeln, um sicherzustellen, dass diese Einkünfte, die über Ländergrenzen hinweg fließen, fair und einheitlich besteuert werden.

1.2.9.2        Die Rolle der Europäischen Kommission

Die Europäische Kommission spielt eine wichtige Rolle in der Gestaltung der Steuerpolitik in der EU. Sie schlägt Gesetze vor, die das Steuersystem beeinflussen können. Ein Beispiel für ihren Einfluss war der Vorschlag zur Einführung einer gemeinsamen konsolidierten Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage (GKKB). Diese GKKB sollte es Unternehmen erleichtern, ihre Steuern zu berechnen, wenn sie in verschiedenen EU-Ländern tätig sind, um Doppelbesteuerung zu vermeiden und die Verwaltungskosten zu senken.

1.2.9.3        Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs (EuGH)

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) entscheidet über Rechtsstreitigkeiten im Zusammenhang mit der Auslegung des EU-Rechts, einschließlich steuerlicher Angelegenheiten. Seine Urteile können die Steuerpraktiken in den Mitgliedsländern beeinflussen. Ein herausragendes Beispiel war der „Cadbury-Schweppes“-Fall. Hier urteilte der EuGH gegen die steuerlichen Praktiken einiger Länder, die es Unternehmen erlaubten, Steuern zu umgehen, indem sie Tochtergesellschaften in Niedrigsteuerländern gründeten.

1.2.9.4        Bekämpfung von Steuerhinterziehung

Die Mitgliedsländer der EU arbeiten zusammen, um die Steuerhinterziehung zu bekämpfen. Ein bemerkenswertes Beispiel ist der automatische Informationsaustausch über Finanzkonten zwischen den Ländern. Dieser Mechanismus zielt darauf ab, die Steuerhinterziehung zu erschweren, indem Informationen über Finanzkonten zwischen den Ländern ausgetauscht werden, um sicherzustellen, dass Einkünfte korrekt besteuert werden, unabhängig davon, wo sie erzielt werden. Diese Beispiele veranschaulichen, wie das europäische Fiskalsystem durch die EU-Institutionen gestaltet wird und wie ihre Entscheidungen die Steuersysteme der Mitgliedsländer beeinflussen. Die Analyse und das Verständnis dieser Mechanismen sind entscheidend, um die komplexe Welt der europäischen Steuerpolitik zu verstehen.

1.2.9.5        Wechselwirkungen zwischen dem deutschen und europäischen Finanzsystem

Das deutsche Fiskalsystem ist Teil des größeren europäischen Fiskalrahmens, daher gibt es verschiedene Wechselwirkungen zwischen beiden Ebenen.

1.2.9.6        EU-Recht und Steuervorschriften

Die Europäische Union hat eine gewisse Autorität in steuerlichen Angelegenheiten und legt Richtlinien fest, die von den Mitgliedsstaaten befolgt werden müssen. Das deutsche Steuersystem muss oft EU-Vorgaben berücksichtigen und umsetzen, insbesondere in Bezug auf Mehrwertsteuer, Zölle, Wettbewerbsrecht und andere steuerliche Regelungen.

1.2.9.7        Harmonisierung von Steuergesetzen

Es gibt Bemühungen innerhalb der EU, die Steuergesetze der Mitgliedsländer zu harmonisieren, um eine einheitliche Herangehensweise an Steuern zu schaffen. Dies kann sich auf die deutschen Steuergesetze auswirken und Anpassungen erfordern, um den europäischen Standards gerecht zu werden.

1.2.9.8        Steuerliche Wettbewerbsfähigkeit

Die unterschiedlichen Steuersysteme in Europa können Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit der Länder haben. Deutschland muss sein Steuersystem möglicherweise anpassen, um attraktiv für Investoren und Unternehmen im Vergleich zu anderen europäischen Ländern zu bleiben.

1.2.9.9        Grenzüberschreitende Geschäfte und Besteuerung

Innerhalb der EU gibt es Regelungen, um die Besteuerung bei grenzüberschreitenden Geschäften zu regeln, um Doppelbesteuerung zu vermeiden. Dies hat Auswirkungen auf das deutsche Steuersystem, da es Regeln für die Besteuerung von Transaktionen zwischen deutschen Unternehmen und Unternehmen in anderen EU-Ländern beachten muss.

1.2.9.10     Gerichtsbarkeit und Rechtsprechung

Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) hat auch Einfluss auf das deutsche Steuersystem. Entscheidungen des EuGH können dazu führen, dass Deutschland sein Steuersystem anpassen muss, um den EU-Vorgaben zu entsprechen. Insgesamt sind die Wechselwirkungen zwischen dem deutschen und dem europäischen Fiskalsystem komplex und vielfältig. Es erfordert ständige Anpassungen und die Berücksichtigung von EU-Richtlinien und -Entscheidungen, um die Einhaltung der europäischen Standards sicherzustellen. Um die Wechselwirkungen der nationalstaatlichen und europäischen Steuerregelungen zu verstehen, ist es wichtig, die Steuern in Konsumsteuern und Steuern auf Erträge zu unterteilen. Die Konsumsteuern (Umsatzsteuern) werden auf europäischer Ebene verrechnet, die Steuern auf Erträge / Einkünfte von Unternehmen oder auch Privatpersonen werden jeweils von den einzelnen Staaten erhoben.

1.1.9.11     Verständnischeck: Können Sie jetzt folgende Fragen beantworten?

  1. Welche Rolle spielt die Europäische Union im deutschen Steuersystem, insbesondere im Hinblick auf EU-Recht und Steuervorschriften?
  2. Welche Bemühungen gibt es innerhalb der EU, die Steuergesetze der Mitgliedsländer zu harmonisieren, und wie könnte sich das auf das deutsche Steuersystem auswirken?
  3. Warum ist die steuerliche Wettbewerbsfähigkeit in Europa wichtig, und welche Anpassungen könnte Deutschland vornehmen, um diese zu gewährleisten?
  4. Wie regelt die EU die Besteuerung bei grenzüberschreitenden Geschäften, und welche Auswirkungen hat dies auf das deutsche Steuersystem?
  5. Welchen Einfluss hat die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs auf das deutsche Steuersystem?
  6. Warum ist es wichtig, die nationalen und europäischen Steuerregelungen in Konsumsteuern und Steuern auf Erträge zu unterteilen?
  7. Was sind die Grundprinzipien von Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) und warum sind sie für grenzüberschreitende Einkommen relevant?
  8. Wie regelt ein DBA das Besteuerungsrecht und welche Mechanismen werden eingesetzt, um Doppelbesteuerung zu vermeiden?
  9. Anhand des gegebenen Beispiels: Wie wird das Einkommen aus selbstständiger Arbeit einer Person (A) in Deutschland und Frankreich besteuert?
  10. Was ist eine Rückfallklausel in einem DBA, und in welchen Situationen könnte sie angewendet werden?
Übungsdateien
Buchhaltung Modul 1 – Kapitel 2 DE.pdf
Größe: 689,58 kB
modul1.2_mixdown-de.mp3
Größe: 64,22 MB
Beteilige dich an der Unterhaltung